Eine Iteration ist die wiederholte Anwendung einer Regel. Man setzt eine Zahl in eine Funktion ein und nutzt die Ausgabe als nächste Eingabe. Das kann man etliche Male wiederholen und beobachten, was mit der Zeit passiert. Die Werte könnten beispielsweise schnell gegen Unendlich anwachsen (divergieren). Oder sie werden in Richtung eines bestimmten Zahlenwerts gezogen (konvergieren). Es kann auch sein, dass die Ergebnisse in einer festen Reihenfolge zwischen mehreren Zahlen hin und her hüpfen. Oder sie folgen einem chaotischen, unvorhersehbaren Muster.
Der Preis inspirierte zwei Mathematiker dazu, ein völlig neues Forschungsgebiet zu entwickeln. Einer davon war Pierre Fatou, der hatte 1915 bereits mehrere wichtige Ergebnisse in der Analysis bewiesen. Der zweite Mathematiker war Gaston Julia, dessen Studium durch den Ersten Weltkrieg und seine Einberufung zur französischen Armee unterbrochen wurde. Er verfasste einige der Arbeiten, die er für den Preis der französischen Akademie einreichte. Fatou und Julia arbeiteten unabhängig voneinander, machten aber ähnliche Entdeckungen. Es gibt so viele Überschneidungen in ihren Ergebnissen, dass nicht immer klar ist, wem man sie zuordnen soll. Julia war aufgeschlossener und erhielt daher mehr Aufmerksamkeit. Am Ende gewann er den Preis; Fatou hatte sich nicht einmal dafür beworben. Doch inzwischen gelten beide gleichermassen als Begründer der komplexen Dynamik. "Komplex" deshalb, weil die zwei Forscher Funktionen auf Basis komplexer Zahlen untersuchten. Das sind solche, die sich aus reellen und imaginären Teilen (Wurzeln aus negativen Werten) zusammensetzen. Während sich reelle Zahlen als Punkte auf dem Zahlenstrahl darstellen lassen, visualisiert man ihre komplexe Erweiterung als Punkte in der Ebene. Fatou und Julia fanden heraus, dass selbst die Iteration einfacher Funktionen zu kompliziertem Verhalten führen kann. Sie begannen ihre Beobachtungen zu dokumentieren und geometrisch darzustellen. Doch dann geriet das Fachgebiet ein halbes Jahrhundert lang in Vergessenheit.
Das änderte sich mit der Verbreitung von Computern in den 1970er Jahren. Als Benoît Mandelbrot 1974 zum IBM-Fellow ernannt wurde, beschloss er mit der enormen Rechenleistung des Zentrums die komplexe Dynamik aus dem Winterschlaf zu holen. Mit dem Computer erzeugte er die Formen, die Pierre Fatou und Gaston Julia 60 Jahre zuvor untersucht hatten. Die Bilder enthielten Informationen darüber, wann die iterierte Funktion ins Unendliche verläuft und wann sie einem festen Muster folgt. Die Zeichnungen der beiden Wissenschaftler zeigen Anhäufungen von Kreisen und Dreiecken. Die computergenerierten Bilder, die Mandelbrot erstellte, sehen hingegen ganz anders aus: Sie ähneln Drachen oder Kathedralen, und manchmal wirken sie wie unzusammenhängende Staubwolken. Damals prägte Mandelbrot das Wort "fraktal" für Formen, die selbstähnlich sind.
Fatou und Julia hatten einzelne Funktionen hinsichtlich
Geometrie und Dynamik untersucht.
Die Forscher hatten sich mit den einfachsten Gleichungen
befasst, die durch Iteration etwas Interessantes
hervorbringen:
f(zn+1) = zn² + c
wobei c eine komplexe Zahl ist.
Fatou und Julia stellten das iterierte Verhalten
durch heute so genannte Julia-Mengen dar, die einer
Begrenzung entsprechen. Für eine einzelne Funktion f(z)
mit einem festen Wert c beschreibt die Julia-Menge die
Grenze, zwischen der die Werte z bei einer Iteration zu
immer grösseren Funktionswerten führen - und den
Werten z, die stets begrenzte Werte erzeugen.
Das Komplement der Julia-Menge wird als Fatou-Menge bezeichnet.
Durch die Hilfe von
Computern konnte Mandelbrot nun eine ganze Familie
von Funktionen auf einmal betrachten. Er stellte sie alle in
dem Bild dar, das nun seinen Namen trägt.
Die Mandelbrot-Menge ist hingegen eine Art Verzeichnis
von Julia-Mengen - und betrachtet unendlich viele
davon auf einmal. Wenn man die Gleichung
f(zn+1) = zn² + c
mit dem Startwert
z = 0
zu iterieren beginnt und die Zahlen klein bleiben,
dann ist c Teil der Mandelbrot-Menge. Falls die iterierte
Funktion hingegen immer grössere Werte liefert, liegt c
nicht in der Menge.
Der Unterschied zwischen dem "Apfelbäumchen" unter dem die weitbekannte Mandelbrot-Menge auch bekannt ist und der Julia-Menge liegt im Startwert: Beim "Apfelbäumchen" mit z = 0 und bei den Julia-Mengen beliebig. Insgesamt bildet die Mandelbrot-Menge eine Art Index für die Julia-Mengen, da sie die geometrische Struktur der Julia-Mengen an jedem Punkt repräsentiert. Zu jedem Punkt der Mandelbrot-Menge gehört also eine Julia-Menge.
Hier eine JavaScript zur Darstellung der Mandelbrot-Menge
wobei c in der komplexen Ebene (Gausssche Zahlenebene, reelle Zahlen waagerechte und
imaginären Zahlen senkrechte Achse) aufgetragen ist und
selbst parametrisiert werden kann.
Bei der Mandelbrot-Menge wird üblicherweise c
der obigen Gleichung dargestellt; bei der Julia-Menge wird z aufgetragen.
Die Farben zeigen, wieviele Iterationen nötig sind,
um festzustellen, ob der Punkt zur Mandelbrot-Menge gehört. Ist nun der Betrag von
z kleiner als 2, so nimmt man an, dass der Punkt c innerhalb der
Mandelbrot-Menge liegt. Überschreitet der Betrag den Wert 2, so nimmt man an,
dass der Punkt ausserhalb der Menge liegt und man kann die Iteration schon früher
abbrechen.